Am gestrigen Sonntag, 21.
Februar 2021 trat erstmals ein, wovor die Bürgerinitiative Schützt Potsdam seit
Wochen warnt: Der Verkehr in der Welterbe-Ortschaft Sacrow im Potsdamer Norden
brach vollständig zusammen. Die Straße zwischen Krampnitz und Kladow, die durch
den Königswald und Sacrow führt, war durch hunderte Fahrzeuge so überlastet,
dass kein Durchkommen mehr war. Weder in die eine noch in die andere Richtung
bewegte sich der kilometerlange Stau. Parkende und fahrende Autos blockierten
sich gegenseitig, wütende und genervte Fahrer gingen gegenseitig aufeinander
los.
Die Polizei sah sich
daraufhin kurz nach 14:00 Uhr gezwungen, die Straße zu sperren und keine
Fahrzeuge mehr durchzulassen. Die von Kladow kommenden Autos mussten umdrehen
und nach Berlin zurück, wer von Krampnitz aus Richtung Sacrow wollte, wurde
gestoppt und nach Potsdam zurückgeschickt.
Auch der öffentliche Busverkehr
war betroffen. Die Busse der Linie 697 wurden am Ortseingang von Sacrow
angehalten und konnten fast drei Stunden lang nicht weiterfahren.
Erst nachdem ein Großaufgebot
von Abschleppfahrzeugen anrückte und zahlreiche Fahrzeuge aus dem Weg räumte,
konnte die Straße nach ca. drei Stunden wieder freigegeben und geöffnet werden.
Die Bürgerinitiative Schützt Potsdam
warnt schon seit längerer Zeit von dem drohenden Verkehrsinfarkt in der
Welterbe- und Nacherholungsoase Sacrow. „Das Verkehrsaufkommen führt insbesondere
an Wochenenden zu einer unzumutbaren, völlig inakzeptablen Überlastung der
Straßen in Sacrow und zu einer Verlärmung der gesamten Ortschaft und des
Naherholungsgebiets rund um den Sacrower See, die Heilandskirche und den
Königswald“, sagt Markus Peichl, der Vorsitzende der BI. „Wir mahnen seit
Jahren ein Verkehrskonzept an, um diese untragbare Situation in den Griff zu
bekommen, aber außer freundlicher Verständnisbekundungen und leerer Versprechen
kommt von der Stadt nichts“.
Dabei steht das Schlimmste
erst bevor: „Wenn die Deutsche Wohnen und die Stadt Potsdam im Ortsteil Krampnitz
tatsächlich, wie geplant, Luxushäuser und Wohnsiedlungen für rund 10.500
Menschen bauen, wird Sacrow nicht bloß ein Verkehrschaos wie am gestrigen
Sonntag erleben, sondern den kompletten Verkehrsexodus. Von Berlin aus wird es
Verstopfungen und Staus bis zur Heerstraße geben, die ganz Kladow und Gatow
massiv betreffen werden. Von Potsdam aus werden sich die Blechlawinen die ganze
B2 entlang bis ins Zentrum stauen“, sagt Peichl.
Die Stadt habe schon jetzt
kein Verkehrskonzept gegen die aktuelle Überlastung der Straße durch Sacrow und
den Königswald, und sie habe erst recht keines für eine zusätzliche Ansiedlung
von 10.500 Menschen in Krampnitz. „Es ist davon auszugehen, dass mindestens 40
bis 50 Prozent der Menschen, die in die geplanten Vorstadtsiedlungen von
Krampnitz ziehen, in Berlin arbeiten werden. Das macht rund 5.000 Personen. Da
die Verkehrswege nach Berlin über die B2 völlig überlastet und dicht sein
werden, weil Potsdam auch dafür noch kein Verkehrskonzept hat, werden sie über
Sacrow und den Königswald ausweichen, um nach Berlin zu kommen.“
Zusammen mit dem bereits
jetzt viel zu hohen und ständig steigenden Verkehrsaufkommen in Sacrow würden
die zusätzlichen rund 5.000 Pendler aus Krampnitz nach Berechnungen der BI
„notgedrungen zum totalen Verkehrskollaps führen“. Das gelte werktags ebenso
wie für das Wochenende, da damit zu rechnen sei, dass die 10.500 Menschen aus
den geplanten Ansiedlungen in der Freizeit auch das immer beliebtere
Naherholungsgebiet um den Sacrower See und den Sacrower Schlosspark aufsuchen
werden.
Die BI führt regelmäßig
Verkehrszählungen auf der Straße durch Sacrow und den Königswald durch. An
Wochenenden werden derzeit Spitzenwerte von bis zu 2.000 Fahrzeugen pro Tag
gemessen, die durch den Ort fahren. An Werktagen liegen die Spitzenwerte bei 1.600
Fahrzeugen. „Wird Krampnitz gebaut, werden wir auf 4.000 bis 5.000 Fahrzeuge in
der Spitze kommen,“ sagt Peichl. „Wie soll das auf einer teils einspurigen
Straße durch ein idyllisches Naturschutzgebiet gehen?“
Die BI richtet daher den
dringenden Appell an die Stadt Potsdam, sich der Sache umgehend anzunehmen.
Sie fordert von den
zuständigen Behörden und dem Beigeordneten für Stadtentwicklung Bernd Rubelt,
die Bebauungspläne für Krampnitz sofort zu stoppen und nicht weiter voranzutreiben.
Sie verlangt, dass die Bebauung erst wieder betrieben werden darf, wenn ein
schlüssiges Konzept für den zu- und abfließenden Verkehr aus den neu zu
errichtenden Wohngebieten vorliegt. Außerdem hält sie es für unumgänglich, dass
die Bebauungsfläche des neuen Krampnitz Quartiers auf ein Maß begrenzt wird,
das für den Individualverkehr und den Öffentlichen Nahverkehr verkraftbar ist.
„Wir gehen nach unseren Berechnungen davon aus, dass in Krampnitz maximal 4.000
Menschen neu angesiedelt werden können, wenn der Verkehr in den angrenzenden
Regionen und Gebieten nicht völlig zusammenbrechen soll. Das gebietet vor allem
auch die ökologische Vernunft, der Klimaschutz, der Lärmschutz, der Naturschutz
und der Schutz der Menschen“, sagt BI-Vorsitzender Peichl.
Selbst für die Zielmarke von
maximal 4.000 neu anzusiedelnden Bewohner in Krampnitz bedürfte es aber vorher
eines vernünftigen, schlüssigen Mobilitätskonzepts, mit dem ein solcher Zuzug
verkehrstechnisch organisiert und gestemmt werden kann. „Dieses Konzept
existiert nicht, und solange es nicht da ist, darf in Krampnitz nicht
weitergeplant und weitergebaut werden“, ergänzt Markus Peichl. „Man baut nicht
zuerst etwas, das eine Verdrei- bis Vervierfachung des Verkehrs auslöst, und
überlegt sich nachher, was man mit den Blechlawinen, Emissionsschleudern und
Staus macht. Das ist Mobilitäts-, Verkehrs- und Umweltplanung der 1970er Jahre.
Es muss genau anders rum sein: Erst muss Potsdam sagen, wie der Verkehr
ökologisch und menschengerecht organisiert wird, dann kann im vertretbaren
Rahmen gebaut werden.“
Unabhängig von der
Krampnitz-Bebauung fordert die BI aber auch schon jetzt ein kurzfristiges
Eingreifen und einen schlüssigen Sofort-Plan, wie das immense Verkehrsaufkommen
in dem Welterbe-Ort Sacrow zurückgedrängt und reduziert werden kann. „Einen Tag
wie den gestrigen Sonntag wollen wir nicht noch einmal erleben“, sagt
BI-Vorsitzender Markus Peichl. „Das war jetzt der erste Frühlingstag, noch ohne
die Möglichkeit zu baden. Wie soll das im Mai, Juni oder Juli werden?
Naherholungsgebiete rund um Großstädte werden durch die Pandemie noch auf
absehbare Zeit überdurchschnittlich frequentiert werden. Sacrow erfreut sich
aber auch so von Jahr zu Jahr größerer Beliebtheit. Wenn die Stadt nicht
unverzüglich etwas unternimmt und temporäre Durchfahrtsverbote oder
Anrainer-Zufahrts-Regelungen erlässt, führt das zum Dauer-Chaos“.