Mittwoch, 6. Juli 2011

PNN Interview mit Markus Peichl

„Wir müssen weiter wachsam sein“

Markus Peichl sieht die Entscheidung zu den Flugrouten als Erfolg des Bürgerprotests

Herr Peichl, nach der Vorstellung der Flugrouten für den neuen Flughafen Berlin-Brandenburg-International durch die Deutsche Flugsicherung (DFS) ist klar, dass Potsdam nicht überflogen wird. Ist die Stadt der große Gewinner im Konflikt um die Flugrouten? 
 Ich mag solche Vokabeln nicht. Ich und meine Potsdamer Bürgerinitiative sehen die Entscheidung mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Die Potsdamer können nun vergleichsweise ruhig schlafen. Freuen Sie sich nicht?
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Foto: Promo
Natürlich freuen wir uns. Wir freuen uns sogar sehr, denn wir haben für Potsdam viel erreicht. Aber Nachbargemeinden wie Teltow, Schwielowsee oder Rangsdorf werden durch die festgelegten Routen belastet. Mit denen haben wir monatelang Seite an Seite gekämpft. Sie haben auch in Zukunft Solidarität verdient.

Ihre „Bürgerinitiative schützt Potsdam“ hat viel Protest mobilisiert. Was bedeutet das für Sie?
Wir hatten in den letzten Wochen einen immensen Zulauf. Ich denke, dass diese Dynamik auch über den Streit um Flugrouten hinaus anhalten wird. Viele Leute haben gesehen, dass man etwas erreichen kann, wenn mach sich engagiert. Dieses Gemeinschaftgefühl wird bleiben. Da ist etwas in Bewegung geraten.

Nun hat die DFS die Flugrouten festgelegt. Ist damit das Ziel ihrer Bürgerinitiative erreicht und sie setzen sich zur Ruhe?
Auf keinen Fall. Wir müssen weiter wachsam sein. Sobald der Flughafen seinen Betrieb aufgenommen hat, muss eine Evaluierung erfolgen: Haben die gewählten Flugrouten zu der beabsichtigten Verschonung von Potsdam geführt? Und wie leben die belasteten Gemeinden damit? Wir müssen abwarten, wie sich die Entscheidung in der Praxis auswirkt.

Sie gehen also davon aus, dass ihnen die Frage der Flugrouten erhalten bleibt?
Für Potsdam war das nur ein Etappensieg. Wir werden dafür sorgen müssen, dass der BER Schönefeld nicht zu groß wird. Sobald er eine bestimmte Kapazitätsgrenze überschreitet, sind die Flugrouten von Montag nicht mehr fliegbar. Dann kommen andere Routen, die auch über Potsdam führen können. Unsere Forderung ist ganz klar: Die Kapazität von Schönefeld muss begrenzt werden.

Für die nähere Zukunft ist die Frage der Routen nun geklärt. Was halten Sie denn von der Arbeit der DFS?
Die DFS und das Bundesverkehrsministerium haben ganz gute Arbeit geleistet. Wichtig ist, dass nach den vielen Täuschungsmanövern Klarheit besteht. Da ist in der Vergangenheit viel Porzellan zerschlagen worden, von dem nun ein Teil wieder zusammengeklebt wurde.

Dennoch wirken Sie nicht so ganz zufrieden. Woran liegt das?
Schönefeld ist und bleibt ein falscher, unmenschlicher Standort. Die DFS hat – das muss man bei aller Kritik sagen – sich wirklich große Mühe gegeben, das Beste draus zu machen. Eine zeitgemäße, bürgernahe Lösung wird man mit diesem Standort aber nie hinkriegen.

Den Standort wird man nicht mehr verändern können. Sie finden die Wahl von Schönefeld als Standort nach wie vor falsch?
Unbedingt. Die Entscheidung von Herrn Diepgen, Herrn Stolpe und Herrn Wissmann für den Standort Schönefeld vor 15 Jahren war verantwortungslos. Der Flughafen hätte niemals in einem so dicht besiedelten Gebiet gebaut werden dürfen sondern weiter entfernt von Berlin und Potsdam. Dazu kommt, dass die Menschen über die Tragweite dieses falschen Standorts getäuscht wurden. Diesen Makel wird Schönefeld nie los werden. Unsere Region wird – egal ob jetzt die eine oder andere Gemeinde besser dasteht – noch Jahrzehnte unter dieser politischen Fehlentscheidung leiden.

Also ist das, was jetzt entschieden wurde, für Sie nur die etwas weniger üble Folge eines an sich immer noch großen Übels?
Das Übel Schönefeld bleibt. Fragen Sie die Anwohner der Havelseen oder des Müggelsees. Trotzdem müssen wir festhalten: Verglichen mit den Horror-Routen, die am 6. September 2010 hunderttausende Menschen aufgeschreckt haben, ist das eine Verbesserung. Nicht nur für Potsdam, sondern für die gesamte Region. Das verdanken wir dem Protest der Bürger. Er hat einiges in Ordnung gebracht, was verantwortungslose Politiker angerichtet hatten. Wir in Potsdam hatten von der Stadt und von der Landesregierung kaum Unterstützung. Trotzdem wird die Landeshauptstadt fast völlig von Fluglärm verschont. Wir Bürger können etwas bewegen. Darüber kann man sich doch auch mal freuen.
Das Interview führte Marco Zschieck,
Weiteres Seiten 1, 15 und 18

Markus Peichl ist Sprecher der „Bürgerinitiative schützt Potsdam“, die sich gegen Flugrouten über dicht besiedeltem Gebiet einsetzt. Der Österreicher ist Medienunternehmer.

  • Quelle PNN am 06.07.2011 auf Seite 08

Das Ergebnis für Potsdam

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

unser Protest und unser Engagement haben sich gelohnt.

Die Deutsche Flugsicherung hat ihre finale Flugroutenplanung vorgestellt. Potsdam wird von Abflügen überwiegend verschont.

Die Abflüge von der Nordbahn bei Westwind sehen so aus: Alle Flüge in Richtung Westen werden südlich bzw. unterhalb von Potsdam bis zum Autobahndreieck Werder geführt. Sie werden Potsdam nicht tangieren. Alle Abflüge in Richtung Norden und Osten werden bereits bei 5.000 ft bzw. 1.500 Metern Höhe frei gegeben. Sie kurven also in aller Regel nach oben ab, bevor sie Potsdam erreicht haben.

Bis Freitag letzter Woche war die Freigabe erst bei 8.000 ft. geplant. Das hätte alle Nord- und Ostabflüge direkt über Potsdam geführt. Jetzt werden sie schon vorher abknicken und über Berlin gehen. Dabei treffen sie auch Teltow und teilweise Stahnsdorf. Das ist natürlich inakzeptabel, eine Route außerhalb des Autobahnrings wäre die bessere Lösung gewesen.

Bei den Landungen sieht es so aus: In den Spitzenzeiten am Morgen und am Abend werden die Anflüge radargesteuert geführt. Diese Anflugroute ist daher verbindlich. Auch sie führt definitiv an Potsdam vorbei: Erst  nördlich der Stadtgrenze, dann westlich. Dabei trifft sie allerdings unsere Nachbargemeinden in der Havelseenregion, also Schwielowsee, Kaputh und Werder. Für die sieht es finster aus. Sie verdienen weiterhin unsere Unterstützung.

In den Nicht-Spitzenzeiten werden die Landungen frei geflogen. Hier kann und wird es zu Überflügen von Potsdam kommen. In welcher Intensität und an welchen Stellen kann die DFS nicht sagen, weil eben frei und nicht in verbindlich festgelegten Routen geflogen wird. Die Folge ist in aller Regel eine relativ breite Streuung bzw. Verteilung, wobei sich im Westen von Potsdam mehr Flieger ansammeln werden, nach Osten hin immer weniger.  Dies wird an 40 Prozent aller Tage im Jahr und dann jeweils von ca. 10:00 bis 17:00 Uhr der Fall sein. Das ist der einzige große Wermuthstropfen. Daran werden wir noch arbeiten müssen.

Ein kleiner Wermuthstropfen sind die Abflüge bei Ostwind. Da starten die Flieger von der Nordbahn erstmal Richtung Osten. 110 Stück drehen dann über den Müggelsee oberhalb von Berlin zurück Richtung Westen ab. Dabei kommen sie dann ziemlich genau über Gross Glienicke, Sacrow und Fahrland. Dort haben sie aber bereits 6.000 bis 7.200 Meter Höhe erreicht, so dass sie wirklich kaum mehr wahrnehmbar sein dürften.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Horror-Routen vom 6. September 2010 hätten rund 63 Prozent des gesamten Abflugverkehrs bei Westwind über Potsdam geführt. Jetzt wird es weniger als fünf Prozent sein. Bei Ostwind hätten wir nach den alten Planungen sämtliche Landungen - vor allem die in den Spitzenzeiten -  abbekommen. Jetzt werden wir nur noch Teile der Landungen in den wenig frequentierten Tageszeiten spüren.

Fragt sich nur, wie lange diese Routen Bestand haben. Wenn Schönefeld wächst, werden sie sicher ganz schnell verändert und wir sind wieder dran. Deshalb muss unser Protest leider trotz des großartigen Erfolgs von heute weiter gehen: Nur wenn Schönefeld kein Internationaler Großflughafen wird, können  die neuen Flugrouten dauerhaft geflogen werden. Ansonsten sind sie Makulatur.

Markus Peichl